Der Mittlere Schulabschluss ersetzt den Realschulabschluss

Am Ende der 10. Klasse wird nunmehr der Mittlere Schulabschluss (MSA) in allen Schularten der weiterführenden Schulen für alle gleich und in Form einer Prüfung abgelegt. Er ersetzt den Realschulabschluss.
  Das Ziel ist: Schulen, Schülerinnen und Schüler, Eltern und Ausbildungsbetriebe sollen wissen, woran sie sind, denn die Abschlüsse sind nun vergleichbar. Jede Schülerin und jeder Schüler wird in den Fächern Deutsch und Mathematik und der ersten Fremdsprache schriftlich geprüft.
  Die neu eingeführte Präsentationsprüfung birgt zusätzliche Chancen für die Jugendlichen, Kompetenzen einzubringen. Die Schüler suchen sich dabei ein Fach und ein Thema aus; 10 Minuten dauert die Präsentation, ein durch Medien unterstütztes Referat; zum Schluss sind Fragen der Lehrer über die zugrunde liegende Arbeit zu beantworten.
  78 % der Berliner Schüler haben den MSA bestanden. Immerhin also kein Papier, das jedem nachgeworfen wird...

 

2006/7:
Genüsslich Lernen...
Büffeln...
2006/7:
Abitur in 12 Jahren!

So, wie man zu seinem Kumpel sagt, wenn die Nacht arg kurz zu werden droht: "Schlaf schneller, Genosse!", so heißt eine ähnliche Devise nun: "Lern schneller, Genosse!" Bisher durften sich deutsche Schüler 13 Jahre lang lernend auf das Leben vorbereiten. Nun wurde beschlossen: 12 Jahre reichen! Die einjährige Schnupper- oder Probierphase am Anfang der "Sekundarstufe II" (auf deutsch: Oberstufe), die in der Klasse 11 statt fand, verschiebt sich nun, samt dem ganzen Stoff der 11., nolens volens irgendwie auf die Klassen 5 -10 - oder sie entfällt einfach, wie z.B. am AGD (außer im Fach Französisch, wo zwei Zusatzstunden wählen kann, wer beabsichtigt, eben diese Sprache zukünftig als Leistungsfach zu wählen. Im "wegweiser_gymnasia-le_oberstufe.pdf" des Bildungssenators heißt es trocken: "Die Schülerinnen und Schüler ... werden am Gymnasium keine Einführungsphase mehr finden." [S. 2]). Für den kleinen Mensch spätestens ab Klasse 7 gilt nun: "Reif' schneller! Überleg' Dir zeitig, auf welche Leistungsfach- und Grundkurs-Kombination Du Dich festlegen willst!" und: - neudeutsch - "Zieh' Dir den Stoff fürs Abitur in zwei Jahren 'rein. Die Wirtschaft wartet auf Dich!"
  Die Folgen konnte der Chronist selbst erleben (allerdings nicht am AGD), nämlich als Anbieter außerunterrichtlicher, freiwilliger Lernangebote, in denen Schüler die Freiheit haben sollten, eigenen Interessen nachzugehen: Lern-Stress allenthalben, stromlinienförmig und genormt auf das Abitur getrimmt, von morgens früh bis spät am Nachmittag (dazwischen Schulmensa, fast wie Ganztagsschule), dann erschöpft nach Hause, dort die Hausaufgaben... Und: je älter und 'reifer' der Schüler, desto scheuklappenbewehrter (konkret: lange, unterschriebene Listen von Anmeldungen hoch Interessierter, und am Ende kam so gut wie niemand: "Sorry, ich schaff's nicht..."). Nur die Siebtklässler, die wohl den "Ernst des Lebens" noch nicht so ganz begriffen hatten, zeigten noch spielerische Neugier, kreative Begeisterungsfähigkeit und tatsächlichen Einsatz (mit ganz erstaunlichen Lernleistungen: siehe www.timetravelteam.com).
  Auch am AGD ist der Unterricht sehr zeitaufwändig geworden: Der Schultag der Sekundarstufe I (5.-10.) hört in der Regel um 14.20 Uhr auf - so lange (fünf Tage in der Woche sieben Stunden lang) 'still zu sitzen', ist für die ganz 'Kleinen' sicher an der Grenze des sinnvoll Zumutbaren und darüber -, die Tage der Oberstufe oft erst gegen 18.00 Uhr, allerdings mit ineffizienten Lücken dazwischen. Kein Wunder, dass man sich genötigt sah, versuchsweise für die Jüngsten (5. und 6. Klasse) einen fahrbaren Mittagstisch einzuführen (ohne jede finanzielle Hilfe vom Land...), fast schon wie in einer Ganztagsschule... (Räumlichkeiten für eine geplante Mensa übrigens wurden mit bemerkenswerten Ergebnissen im Kunstunterricht in 3D-CAD entworfen; die Ergebnisse gab's in einer Ausstellung im Bezirksamt Steglitz zu sehen.)
  Soll das "die Zukunft des Lernens" sein, die doch - laut Programm - den ganzen Menschen entwickeln und individuell auf die besonderen Interessen und Fähigkeiten eines jeden eingehen und seine intrinsische Motivation sowie die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen entwickeln sollte? Wer hierfür nicht genügend Zeit lässt, wer Spaß am Lernen durch Hektik und Stress verdrängt, wird manches persönliche Potential brach liegen lassen. Und womit werden denn die ehemaligen "Industrie-Nationen", die zu Dienstleistungsgesellschaften sich wandeln (müssen), Erfolg haben: mit einem Heer stromlinienförmig genormter Jung-Karrieristen (der moderne Typ des Apparatschik, auch "Yuppy" genannt), oder mit eigenmotivierten, kreativen Persönlichkeiten, die Raum hatten, sich zu entfalten, und die, als Ingenieure, Wissenschaftler, Designer und anderes, Eigenständiges und Innovatives leisten?
  Bleibt in Berlin nur der schwache Trost: Wem zwölf Jahre zu wenig sind, der kann ja auf die Gesamtschule gehen; dort soll es nach dem Senatswillen weiterhin möglich sein, 13 Jahre auf das Abitur zu lernen.
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