Dr. Adalbert Schoele wird Direktor. Schoele ist "Altertumskundler"
(Latein, Griechisch, Geschichte) und bringt seine Erfahrungen als "Verwaltungsdirektor"
ein.
Er wird zum 'Mann des Neuen',
da mit seinem Amtsantritt die Oberstufe reformiert
wird (s.u.), wohinter Schoele mit Überzeugung stand. Was bedeutet die
Einführung der "reformierten Oberstufe" bzw. des "Kurssystems" für die
Oberstufe aufgrund der von der Kultusministerkonferenz gefassten Beschlüsse
(7.7.1972)?
Die Schüler können nun - fast schon wie Studenten - Wahlfächer bzw.
"Leistungskurse" wählen, und müssen aber
dann einen ergänzenden Kanon an Pflichtfächern in "Grundkursen"
absolvieren. Die Kurse dauern ein halbes Jahr. Die drei Jahre der Oberstufe
unterteilen sich in eine "Einführungsphase"
im ersten Jahr, eine "Qualifikationsphase"
und eine "Prüfungsphase" im letzten Jahr.
Die Noten werden stärker differenziert nicht mehr von 1 bis 6 gezählt,
sondern von 15 bis 0. Die Abiturnote
ergibt sich nicht mehr aus einer kurzen (oft stressverfälschten) Prüfung,
sondern aus dem Verlauf der ganzen Oberstufe
bzw. aus den Kursergebnissen, ergänzt durch ein Prüfungshalbjahr mit
extra Abiturprüfungen (schriftlich und mündlich).
Obwohl 'der Linken' keineswegs abgeneigt, tritt Schoele
doch den Auswüchsen der 68er-Zeit mit
einiger Skepsis entgegen und rügt in
dieser Beziehung den Mangel an Geschichtsbewusstsein und Kritikfähigkeit
der Schüler: "Unweit der Schule liegt die Universität (die Freie Universität
Berlin), die in sehr starkem Maße politisiert, manche sagen: radikalisiert
ist. In ihr herrscht weithin die Vorstellung von einer Veränderung der
Gesellschaft. Da die Gesellschaft aber nicht bereit ist, diese zum Teil
sektiererischen Ideen aufzunehmen, suchen Studenten Proselyten anderswo,
und zwar zunächst im Vorfeld der Universtität, an den Schulen. ...
(Die Schüler liefen nun z.T. den "Rattenfängern" hinterher) ... und
plappern Parolen nach, weil sie gängig sind. Es ist erstaunlich, wieviel
irrationaler Glaube wieder investiert wird, ein Glaube, der 1939 ein
ganze Generation auf die Schlachtfelder getrieben hat, auf dass sie
sich für eine Idee erschießen lasse. Man sollte also danach streben,
eine etwas skeptischere Generation heranzuziehen...". Wie weit dieser
Vergleich der 68er-Generation mit der 39er-Generation wohl tragen mag?
Als Person hinterließ Dr. Schoele im Kollegium des AGD widersprüchliche Eindrücke: Einerseits kommandierte er in geradezu militärischem Stil, andererseits sah man ihn nach dem Attentat auf Rudi Dutschke mitdemonstrieren. So benennt denn auch Uli Rahn in seinem Text "Erinnerung an Dr. Adalbert Schoele" "die Paarung preußischer Mentalität mit gewerkschaftlicher Kollegialität" als das Eigentümliche dieses kantigen Mannes.
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