Das Projekt
"Pädagogische Schulentwicklung"
Spätestens seit dem Schuljahr 2001/2 ca. macht ein neues "Projekt"
von sich reden: die "Pädagogische Schulentwicklung",
nach einem gewissen Dr. Heinz Klippert,
hochoffiziell vom "Landesinstitut für Schule und Medien",
kurz LISUM, und vom damaligen Bildungssenator Klaus Böger auf der
Bildungsmesse in Nürnberg 2003 auf den Schild gehoben. Die Eingeweihten
sprechen von "klippern" - und der Laie assoziiert spontan:
"klappern - gehört zum Geschäft"... Was verbirgt
sich nun hinter diesen Neologismen?
Der Pädagoge Heinz Klippert arbeitet seit Jahren an
Wegen zur Leistungssteigerung von Schulen. Dabei richtet er sein Hauptaugenmerk
auf "Methodentraining" (auf
Deutsch: einüben, wie man am besten lernt), "Kommunikationstraining"
(den Austausch mit Anderen üben, nicht nur an der Schüler-Lehrer-'Front'
- neudeutsch: -"Schnittstelle" -, sondern auch innerhalb der
'Parteien', also auf Lehrerkonferenzen, in Lerngruppen - Pardon: "Lernteams"
etc.), "Teamentwicklung" (Aufbau von Lerngruppen), "Eigenverantwortliches
Lernen" (das muss man ausnahmsweise nicht eindeutschen),
"Organisationsentwicklung" (Verbesserung des Aufbaus
von Schulen unter aktiver Beteiligung aller), "Prozessmanagement"
(bewusste Steuerung der Abläufe) und "Evaluation" (Überprüfung
des Erfolgs). Besonders wichtig dabei:
- Die Schüler sollen lernen, selbständig
zu lernen, also sich selbst Stoffe zu erarbeiten, um diese dann
'abrufbar einzuspeichern';
- Dazu sollen wirksame Hilfsmittel eingesetzt werden, wie z.B. Schaubilder
- neudeutsch: "mind-maps" -, vor- und rückseitig beschriebene
Karteikarten, mit denen man sich beim wechselseitigen Abfragen oder
beim Alleine-Lernen unterstützt, oder gar "Spickzettel",
mit denen man sich bei Vorträgen über die Runden hilft;
- Sie sollen moderne Recherche- und Präsentationsmedien
einsetzen (Internet, Laptop & Beamer
[üblicherweise redet mensch von "PowerPoint-Präsentation",
ohne sich zu vergegenwärtigen, dass er oder sie sich damit als
kostenloser Werbeagent von Microsoft verdingt])
- Auch die Lehrer (nicht immer nur die Schüler) sollen in "Teams"
an gemeinsamen "Projekten" arbeiten (ein Stachel, der hier
gegen die Eigenbrötelei des klassischen Paukers löckt, für
den der althergebrachte "Lehrvortrag" immer noch das Probateste
[und Bequemste] ist...).
Ein neues "Haus des Lernens" wird hier
präsentiert - so heißt ein programmatisches Schaubild
(Ansehen? Hier klicken!), das ein frisch trainierter "Multiplikator"
der neuen Lehre vom 'Berge Sinai' eines Klippert-"Sockelkurses"
mit herabbringen wird (Nota bene: Von nun an steht er nicht mehr auf
dem schlichten 'Grund' eines Grundkurses, sondern auf einem "Sockel",
zum lebenden Denkmal erhoben...), ganz zu schweigen von einer "Qualifizierung
zum/zur zertifizierten Prozessberater/in"... Gewisse "Schlüsselqualifikationen"
decken da alles andere gegen den Regen des Unqualifizierten und Inkompetenten
ab: "Persönliche Kompetenz, Fachkompetenz, Methodenkompetenz
und Sozialkompetenz". Robert Hoffmann in seinem köstlichen
Pasquill "'Medial etwas vergreiste Lehrer' vs. 'Kompetenzkompetenz'"
in der 100-Jahr-Festschrift des AGD kommentiert trocken: "'Klippert
ist keinesfalls ein 'neuer' Hut, kommt aber im neuen Gewand und mit
stärkerer Betonung (Kompetenz) daher."
Also: alter Wein in neuen Schläuchen. Schon 1910 war
das Motto Paul Gehebs bei der Gründung der reformistischen Odenwald-Schule,
auf der dann später die reformierte Oberstufe experimentiert wurde:
"Lernen wie man lernt!" Schüler
erarbeiteten sich den Stoff selbst, saßen im Kreis am Tisch, der
Lehrer stand helfend im Hintergrund. Eigenmotivation war selbstverständlich
gegeben, denn die Schule folgte einem radikal-demokratischen Modell
der Schülerselbstverwaltung (inkl. familiärer Erziehung der
Jüngeren durch die Älteren, Schülerparlament, Rechtsausschuss,
Hausputz, Gemüseanbau und Tellerwaschen): Schule war durch und
durch Sache der Schüler. So sah "Organisationsentwicklung"
im Jahre 1910 und folgende aus...
Allerdings: Wenig bis gar nichts von solchen antiautoritären
Reformansätzen (man vergesse nicht Alexander S. Neills "Summerhill"
von 1921!) rettete sich in die deutsche Nachkriegsschule (der Chronist
hat um 1970 sowohl die klassische 'Staatspenne' als auch die Odenwaldschule
erlebt). Erst mit der Einführung der reformierten Oberstufe kam
etwas davon zurück. Und sicher wird es immer nötig sein, das
Banner des eigenverantwortlichen, selbstmotivierten und methodisch effizienten
Lernens hoch zu halten! (Auch auf der Odenwaldschule hat dem Chronisten
nie jemand gezeigt, dass man Vokabeln am Besten mit Karteikarten und
periodischer Wiederholung lernt... Erst auf der 'Uni', beim selbstständigen
Lernen weiterer Sprachen, passierten eher zufällig solche lerntechnischen
'Offenbarungen'!)
Wer also nun als Lehrer bereit war, seine Schule quasi als
'pädagogisches Entwicklungsland' zu sehen, der konnte und kann
sich am LISUM in das neue Evangelium der "Pädagogischen Schulentwicklung"
einweihen lassen - was viele AGD-LehrerInnen auch ganz eifrig taten!
Ulrike van Rinsum habe hier, so heißt es, als große Motivatorin
sich hervorgetan. Schließlich bot sich die Möglichkeit eine
alte Tradition am AGD fortzuführen und neuzubeleben: die der Reformpädagogik.
Möge also das "Klippern" auch am AGD, pragmatisch
reduziert auf das durchaus Wichtige daran, ohne den neologistischen
Weihrauch einer Heilslehre, der man sich mit 'Haut und Haaren' zu verschreiben
hat, weiterhin seine wohltätige Essenz entfalten.
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